Das Ende der Scandinavia?
2001 von Hans-Joachim Bolle

Alles fängt irgendwo an, entwickelt sich und hört irgendwo auf. Interessant ist dabei immer der Aspekt, in welche Richtung sich etwas verändert. Und genau das ist es, was mir Zweifel für weitere Scandinavia-Fahrten bringt.

Die ersten großen Partyfahrten zwischen Schweden und Finnland haben Uwe und ich schon 1993 miterlebt, somit können wir auf 9 Jahre Erfahrung zurückblicken. Und leider muß ich feststellen, daß sich die Zeiten geändert haben und mit Ihnen die Art und Weise, wie auf den Schiffen Party gefeiert wird.

Früher trafen wir auf diesen Schiffen zu 99% nur Finnen und Schweden an, die meistens das Ziel hatten, sich viel Spaß zu gönnen und natürlich preiswert Alkohol zu kaufen. Ganze Familien fuhren damals hin und her, wobei jeder seinen Spaß hatte: die Erwachsenen haben palettenweise Bier gekauft und sich im Tanzsalon amüsiert, die Jugendlichen dagegen haben in der Disco Ihren Spaß gesucht. Und natürlich ist man sich auch damals schnell näher gekommen, aber das hat sich immer in Grenzen gehalten.

Und was ist heute? Nun, es ist nicht alles anders, aber vieles. Da ist zum einen zu sehen, daß der Preisunterschied für Alkohol zwischen Schiff und Land nicht mehr ganz so hoch ist und ein Aspekt dieser Schiffsreisen damit zumindest geschwächt ist. Außerdem kommt dazu, daß sich die Preise mit dem Wegfall des zollfreien Einkaufs in Europa erhöht haben, den die Schiffsgesellschaften nur aufrechterhalten können, indem sie nachts Länder wie Aland oder Estland anfahren, ansonsten wären die Gesellschaften vielleicht schon am Ende oder müßten horrende Fahrpreise nehmen.

Unter Berücksichtigung des letzten Absatzes läßt sich leider der Schluß ziehen, daß sich das Publikum ein wenig verändert hat, aber nicht nur deshalb. Mit den Jahren scheint es sich auch rumgesprochen zu haben, daß man auf diesen Schiffen leicht jemanden kennenlernen kann und, noch viel mehr, ein One-Night-Stand durchaus im Bereich des möglichen liegt. Somit wird die Party fast schon zum Sextourismus, mal ganz überzogen dargestellt.

Aber so überzogen ist das gar nicht mal, und damit komme ich zu meinen Erfahrungen der letzten drei Jahre. Denn das Publikum hat sich auch im Bereich der Nationalität geändert. Ich möchte nicht als Rassist verstanden werden, aber was ich beobachtet habe, das gibt mir schon zu denken. Denn erstmals, so etwa 1998, fing es an, daß kleine Gruppen von Schwarzen oder Arabern mitfuhren und nur ein Ziel verfolgten: eine Frau ins Bett zu bekommen. Und ein großes Ausrufezeichen möchte ich in einem Nachsatz bringen: eine Frau ins Bett zu bekommen, egal welchen Alters. Und vielleicht ist es das, was mir besonders Sorgen macht, wenn mir ein 14jähriges Mädchen erzählt hat, daß sie Angst vor den "schwarzen Männern" hat. Jetzt fragt mich bitte nicht, was ich denn 1998 mit einem 14jährigen Mädchen zu schaffen hatte, ich habe mich nur mit ihr unterhalten. Na jedenfalls war das so ein Schock für mich, daß ich mich sofort für diese ganz neue Sichtweise sensibel machte und beobachtete. Und tatsächlich: die Art und Weise, wie diese Personen die jungen Mädchen mit Blicken verfolgten, ansprachen und anmachten, war absolut eklig. Natürlich machten sie das nicht nur bei den jungen Mädchen sondern auch bei älteren, teilweise allein reisenden Frauen.

Und auf meiner letzten Fahrt war das ganze noch schlimmer. Ich betone, daß ich es so kraß, wie ich es jetzt beschreiben werde, nur auf einer Fahrt erlebt habe, aber die Tendenz ist entscheidend. Und die ist halt erschreckend. Also, wie war das nun auf der einzigen Fahrt zwischen Stockholm und Helsinki, die ich da unternahm, denn die anderen Fahrten der Scandinavia 2001 Standalone fanden zwischen Stockholm und Turku statt. Nun, ich weiß gar nicht, wie ich dieses erdrückende Gefühl überhaupt beschreiben soll. Es befand sich jedenfalls eine Gruppe Araber (sie sahen so aus und wurden auch so von den Finnen beschrieben) an Board, die sich in der Disco eine Frau nach der anderen nahmen, sie anmachten, mit ihnen tanzten. Es war so billig, so einfach, zu beobachten, wie sie sich an die Frauen heranschlichen. Auch wenn zum Beispiel vor der Disco zwei Frauen saßen und sich die zwei Männer darüber unterhielten, ob sie die beiden ansprechen sollten. Nur eine Minute später saßen sie schon bei Ihnen auf dem Boden, ich hätte es wetten können. Na jedenfalls war die Tanzfläche nun halb gemischt von nordischer und arabischer Bevölkerung und jegliche Überlegung, sich da unten mit einzumischen, scheiterte schon an der Idee. Und das zurecht, denn ein Mann, der mit seiner Frau reiste, versuchte das, als einer der Araber ein junges Mädchen zu sehr bedrängte. Konsequenz? Ihn wollte kurz darauf gleich eine ganze Gruppe kalt machen, aber er mobilisierte sofort ein paar Finnen auf seiner Seite und konnte schlimmeres abwenden. Der Abend war für ihn damit aber auch gelaufen. Und diese Aggressivität, dieser unbedingte Wille, den konnte ich wenig später auch noch genau beobachten. Da waren nämlich zwei Mädchen, die, man glaubt es gar nicht, wirklich nur tanzen wollten, und das alleine. Nun kam da immer wieder so ein kleiner Zwerg an und stellte sich zwischen die beiden, befummelte die eine und versuchte, sie irgendwie rumzubekommen. Das ging minutenlang. Das einzige, was dagegen half, war eine ca. 20minütige, ja, wirklich wahr, 20minütige Ansprache des Mädchens, bis er dann endlich aufgab. Das war nun wirklich nicht mehr schön.

Ich wollte das inhaltlich natürlich nicht dabei bewenden lassen und schnappte mir die erstbesten normalen Mädchen, um mich mit ihnen über die Situation zu unterhalten. Es war schon schwer, sie überhaupt anzusprechen, da sie mich ja auch für etwas schlechtes halten mußten. Es gibt also wohl nur noch zwei Arten von Frauen da oben: die, die unbedingt jemanden brauchen (eine Frau auf dieser Fahrt hatte ich 4 Tage zuvor schon auf Turku - Stockholm gesehen) und die, die gar keinen wollen. Na gut, ich kam dann jedenfalls ins Gespräch und fand heraus, daß die Lage wohl ziemlich unangenehm sei, aber durchaus auch die männlichen Finnen nicht viel besser seien.

Tja, so war das also. Statt Spaß, Party und netten Kontakten durfte man beim Sex-Tourismus und bei billigen Anmachen zuschauen, sehr prickelnd. Ich schnappte mit meinen Walkman und ließ "Wind Of Change" in meine Ohren rieseln. Damals, auf meiner allerersten Fährüberfahrt 1991 zwischen Hamburg und Harwich, symbolisierte das Lied einen Aufbruch in neue Zeiten, damals allerdings in gute. Diesmal war es anders.

Uwe ist die Problematik natürlich auch schon längst bekannt, und so bastelt er auch schon an neuen Fahrten, auf denen kritische Strecken oder Gesellschaften möglichst wenig zum Einsatz kommen. Hoffen wir auf eine bessere Zukunft, denn wenn das die neue Tagesordnung auf der Ostsee ist, dann ist es gleichzeitig das Ende der Scandinavia.